Ein Verbrenner ohne direkte CO2-Emissionen
Forschende der Empa in Dübendorf haben mit deutschen Partnern ein neues Brennverfahren für einen Wasserstoff-Verbrennungsmotor erforscht. Ziel ist der Einsatz in Nutzfahrzeugen.
Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben werden geschätzt, weil sie lokal emissionsfrei unterwegs sind. Anders ist das bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Doch auch hier lassen sich die Schadstoffemissionen auf nahezu null bringen, wenn der Verbrennungsmotor nicht Diesel oder Benzin, sondern Wasserstoff verbrennt. Dabei entsteht hauptsächlich Wasser, daneben gesundheits- und umweltschädliche Stickoxide, deren Ausstoss man allerdings durch geeignete Massnahmen vermeiden kann. Ein solches Antriebssystem ist CO2-arm, wenn man erneuerbaren Wasserstoff einsetzt. Es ermöglicht also eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in ähnlichem Umfang wie Brennstoffzellen-Fahrzeuge.
Verbrennung statt Brennstoffzellen
Verbrennungsmotoren, die Wasserstoff nutzen, sind heute hauptsächlich bei Herstellern von Nutzfahrzeugen ein Thema. Lkw für kurze Reichweiten können ohne Weiteres mit Batterie und Elektromotor betrieben werden. Für grössere Reichweiten werden die Batterien aber schwer und teuer, zudem braucht es eine leistungsstarke und teure Schnellladeinfrastruktur im MW-Bereich. Eine Alternative bieten Brennstoffzellen-Fahrzeuge oder Verbrennungsmotoren, die Wasserstoff nutzen. Letztere sind besonders robust und empfehlen sich auch für den Einsatz in Baumaschinen und anderen Off-Road-Anwendungen. Dafür sind Brennstoffzellen-Fahrzeuge weniger geeignet, da Brennstoffzellen gegenüber Vibrationen oder Verunreinigungen im Wasserstoff und in der angesaugten Luft sehr empfindlich sind und dann schneller altern.
«Für leistungsstarke Nutzfahrzeuge im On- und Off-Road-Einsatz könnte ein Wasserstoff-Verbrennungsmotor eine gute Lösung sein», sagt Patrik Soltic, Experte für Antriebssysteme an der Empa in Dübendorf. Ein Forscherteam um Soltic hat sich zum Ziel gesetzt, einen neuartigen Wasserstoff-Verbrennungsmotor für schwere Nutzfahrzeuge zu ermöglichen. Dafür wurde ein zweijähriges Forschungsprojekt aufgegleist, gemeinsam mit der Universität Stuttgart. Die Empa wurde im Projekt vom BFE sowie durch die industrienahe Forschungsvereinigung FVV finanziell unterstützt.
Hoher Luftüberschuss, tiefe Leistungsdichte
Fahrzeuge mit Wasserstoff-Verbrennungsmotoren gibt es bislang kaum in Serienproduktion. Die Fahrzeughersteller arbeiten aber in diese Richtung. So stellte der niederländische Lkw-Hersteller DAF 2022 einen Lkw mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor vor, entwickelt auf der Grundlage eines Dieselmotors. BMW hatte schon im Jahr 2000 mit einem Wasserstoffverbrenner von sich reden gemacht, damals ausgehend von einem Benzinmotor.
Wer einen Benzin- oder Dieselmotor für die Wasserstoff-Verbrennung nutzen will, steht vor einer erheblichen Herausforderung: Der Wasserstoff muss wegen seiner hohen Flammtemperatur sowie der tiefen Zündenergie mit einem grossen Überschuss an (stark verdichteter) Luft verbrannt werden, soll die Verbrennung kontrolliert (kein Klopfen) und umweltschonend (tiefe NOx-Emissionen) ablaufen. Der hohe Luftbedarf hat den Nachteil einer tiefen Leistungsdichte: Ein Lkw mit einem 13-Liter-Motor hat mit Diesel 300 bis 400 kW Leistung; wird er bei gleichem Hubraumvolumen mit Wasserstoff betrieben, sind es noch rund 200 kW. Will man die Leistungsdichte erhöhen, braucht man neuartige Verfahren, die in der Lage sind, sehr viel komprimierte Luft in den Brennraum zu pressen – oder ein neues Brennverfahren, welches nicht auf diesen enormen Luftüberschuss angewiesen ist.
Einspritzung von Wasserstoff
Ein Brennverfahren ohne diesen enormen Luftüberschuss war das Ziel des Projekts H2-DI (Hydrogen Direct Injection Combustion Process). Für den neuen Ansatz wird Luft im Brennraum komprimiert und in diesen dann der Treibstoff eingespritzt. Man kennt den Vorgang vom Dieselmotor, wo sich der Treibstoffstrahl selbst entzündet und die Flamme dann in der komprimierten Luft so lange fortbesteht, wie Diesel eingespritzt wird (Diffusionsverbrennung). Beim H2-DI-Projekt wird nicht flüssiger Diesel, sondern gasförmiger Wasserstoff in die Brennkammer gespritzt. Da Wasserstoff eine sehr hohe Zündtemperatur hat, entzündet er sich nicht selbst, sondern muss wie in einem Benzinmotor mit einer Zündkerze gezündet werden. Ist die Flamme einmal da, läuft eine Diffusionsverbrennung ab, solange Wasserstoff eingespritzt wird. Da kein Wasserstoff-Luft-Gemisch verdichtet wird, welches zu klopfender Verbrennung führen kann, kann man auf klopfverhindernde Massnahmen wie den hohen Luftüberschuss komplett verzichten.
Das H2-DI-Forscherteam konnte zeigen, dass die Diffusionsverbrennung von Wasserstoff im Labormassstab funktioniert und die gleiche Leistungsdichte erreicht wie ein Dieselmotor. Dazu nutzten die deutschen Projektpartner an der Universität Stuttgart einen Ein-Zylinder-Forschungsmotor mit 0,5 Liter Hubraum. Auch an der Empa in Dübendorf wurde das Brennverfahren erfolgreich umgesetzt. Hierfür wurde ein spezieller Prüfstand verwendet, der so konzipiert ist, dass sich die im Brennraum ablaufenden Prozesse mit Hochgeschwindigkeitskameras, einem Spektrometer und weiteren optischen Diagnostikwerkzeugen beobachten lassen. «Die Experimente haben uns ermöglicht, numerische Modelle der Wasserstoffverbrennung zu erstellen und zu validieren», sagt Patrik Soltic. «Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem künftigen Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Denn Wasserstoff verbrennt anders als Diesel, und so konnten wir nicht auf herkömmliche Simulationswerkzeuge zurückgreifen, sondern mussten diese von Grund auf neu entwickeln.»
Schritte zu einem neuartigen Verbrennungsmotor
Bis zu einem kommerziellen Wasserstoffmotor auf der Grundlage des neuen Brennverfahrens ist noch ein weiter Weg. In einem zweijährigen Anschlussprojekt, das Ende 2024 gestartet ist, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Empa die Verbrennung von Wasserstoff optimieren. Dazu gehört die Frage, wie genau der Wasserstoff eingespritzt werden soll und wie der dafür nötige Injektor konstruiert sein muss. Untersucht wird auch, welche Wasserstoffmenge wie lange eingespritzt werden muss, oder wie gross der Abstand zwischen Einspritzdüse und Zündkerze idealerweise sein sollte.
Im Zuge des Anschlussprojekts, an dem neben der Universität Stuttgart auch die TU Berlin beteiligt ist, wird ein Ein-Zylinder-Motor mit zwei Litern Hubraum zum Einsatz kommen. Ferner soll ein Prüfstand mit einbezogen werden, mit dem Wissenschaftler Injektoren optisch vermessen können, was bei der Suche nach einem optimalen Injektordesign hilft. «Bis ein kommerzieller Wasserstoffmotor verfügbar ist, der mit unserem Brennverfahren arbeitet, dürften noch mehrere Jahre vergehen», schätzt Empa-Wissenschaftler Soltic.
Beitrag von: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
Bildquelle: H2-DI