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Neue Halbleiter: «Autobranche ist der Technologie-Driver»

Roland Brüniger (am Rednerpult) nimmt im BFE-Mandat den Vorsitz der PECTA-Arbeitsgruppe wahr. | © P. Bennich
Roland Brüniger (am Rednerpult) nimmt im BFE-Mandat den Vorsitz der PECTA-Arbeitsgruppe wahr.

Der Energieverbrauch von Halbleitern liesse sich senken, würde man das Silizium durch sogenannte Wide-Bandgap(WBG)-Halbleiter ersetzen. Auf dieses Ziel arbeitet die internationale PECTA-Expertengruppe hin. Roland Brüniger hat im Auftrag des Bundesamts für Energie den Vorsitz dieses Fachgremiums inne. Im Interview erläutert Brüniger Potenzial und Anwendungsgebiete von WBG-Halbleitern.

Roland Brüniger, für Beobachtung und Analyse des globalen Energieverbrauchs ist die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris die erste Adresse. Welche Rolle spielt die IEA in der Energieforschung? Und welche Bedeutung hat dabei die unter dem Dach der IEA tätige Expertengruppe PECTA?

 

Viele Länder weltweit forschen im Bereich Energie, um den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu ermöglichen. Die IEA unterstützt den internationalen Austausch zwischen den Forschenden. Diesem Zweck dienen rund 40 Technology Collaboration Programmes (TCP), in denen sich Fachpersonen aus mehreren Staaten zu einem Thema austauschen. Eines dieser Programme – Energie Efficient End-Use Equipment, kurz 4E TCP – befasst sich mit der Energieeffizienz von Endgeräten. Um die Arbeit in diesem Bereich weiter voranzubringen, hat die Schweiz innerhalb des 4E TCP gemeinsam mit Dänemark, Österreich und Schweden die PECTA-Arbeitsgruppe initiiert. PECTA steht für Power Electronic Conversion Technology Annex. Die Arbeitsgruppe widmet sich der Energieeffizienz im Bereich der Leistungselektronik. Darunter versteht man Bauteile, die zur Steuerung und Umwandlung elektrischer Energie eingesetzt werden.

 

Im Fokus von PECTA steht eine Gruppe von Halbleiter-Materialien, die energieeffizienter arbeiten als das Silizium, das heute meistens in Leistungselektronik-Bauteilen zur Anwendung kommt. Die neuartigen Halbleiter werden unter dem Begriff Wide-Bandgap (WBG) zusammengefasst. Diese WBG-Halbleiter – allen voran Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) – haben ein gewaltiges Potenzial, um elektronische Schaltvorgänge mit geringeren elektrischen Verlusten auszuführen. Zudem können die Komponenten bei gleicher Leistung kleiner und leichter gebaut werden, was den Rohstoffbedarf vermindert. Die PECTA-Arbeitsgruppe fördert den internationalen Informationsaustausch zur WBG-Forschung, weckt bei politischen Entscheidern das Bewusstsein für die Möglichkeiten dieser neuen Technologie und unterstützt breit gefächerte Massnahmen, um die WGB-Technologie beschleunigt im Markt einzuführen.

 

Im September 2023 fand im dänischen Aalborg die European Conference on Power Electronics and Applications mit über 1000 Teilnehmenden statt. Dabei wurde der Forschungsstand zu WBG-Halbleitern präsentiert. Wo steht die Wide-Bandgap-Technologie aktuell?

 

WBG-Halbleiter sind in Forschung und Entwicklung ein grosses Thema. Die Autobranche ist momentan der Technologie-Driver in diesem Bereich. Andere Industriebranchen reagieren noch zurückhaltend. Das liegt hauptsächlich daran, dass noch wenig Erfahrungen vorliegen, die die langfristige Zuverlässigkeit dieser Bauteile unter Beweis stellen.

 

Eine Forschungsarbeit mit Beteiligung der EPFL, deren Ergebnisse in Aalborg vorgestellt wurden, hat Leistungsdichte und Effizienz von Ladegeräten auf Basis von traditionellen Silizium- und neuartigen GaN-Halbleitern quantifiziert und dabei nachgewiesen, dass GaN-Lösungen bei höheren Leistungen effizienter als Silizium-Lösungen sind und ein geringeres Volumen aufweisen. In einer weiteren, ebenfalls in Aalborg präsentierten Zusammenarbeit des Austrian Institute of Technology mit der ZHAW wird die Wirkungsgradsteigerung von PV-Umrichtern für Einfamilienhäuser mit neuen WBG-Materialien mit realen Aufbauten und Messungen belegt.

 

Solche Ergebnisse dienen einerseits als Basis für Standardisierungen und Regulierungen. Anderseits schaffen sie die Grundlage für die nächste Generation von WBG-Anwendungen, denn PECTA ist auch bedacht, ihre Ergebnisse mit der Industrie auszutauschen.

 

In welchen Anwendungen sind Elektronikbauteile mit WBG-Halbleitern bereits präsent?

 

In Ladegeräten werden schon heute GaN-Halbleiter eingesetzt. Haupteinsatzgebiet für WBG-Lösungen ist bislang aber wie erwähnt die Automobilindustrie. Im Tesla 3 werden WBG-Umrichter verbaut. Die damit einhergehende Reduktion der Verluste und des Gewichts schlägt sich in einer grösseren Reichweite nieder. Dass WBG-Anwendungen im Automobilbereich zunehmend Verbreitung finden, hat neben der Reichweiten-Erweiterung einen zusätzlichen Grund: Autos sind gemessen an ihrer Lebensdauer relativ wenig im Einsatz, über ein Autoleben hinweg insgesamt nur etwa 3000 bis 6000 Stunden. In industriellen Anwendungen dagegen sind Umrichter viel höheren zeitlichen Belastungen ausgesetzt und die Anforderungen an die Langlebigkeit entsprechend höher.

 

Welche Energieeinsparungen bringt der Einsatz von Geräten auf der Grundlage von WBG-Halbleitern?

 

Eine Forschungsgruppe der FHNW hat aufgezeigt, dass der Einsatz von WBG-Technologien grosses Potenzial hat. Würden in diversen Elektrogeräten, die 2021 weltweit im Einsatz waren, die siliziumbasierten Umrichter durch WBG-Halbleiter ersetzt, hätten allein im Bereich der Elektromotoren weltweit über 100 Terawattstunden (TWh) Strom im Jahr gespart werden können. Das entspricht der Produktion von zehn Kernkraftwerken.

 

Noch beträchtlicher ist das Einsparpotenzial mit Blick auf die Zukunft: Photovoltaikanlagen und Ladestationen von Elektroautos werden in den nächsten Jahren zunehmen. Wenn darin sparsame WBG-Umrichter eingebaut werden, können wir viel Strom sparen. Die FHNW-Studie beziffert das Einsparpotenzial im Jahr 2050 allein im Bereich Photovoltaik auf jährlich 270 TWh .

 

Die Halbleiter-Technologie wird von den Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley geprägt, ebenso von Herstellern aus Südkorea, China, ­Taiwan und Japan. Wie kann die von europäischen Staaten getragene PECTA-Arbeitsgruppe in diesem Umfeld ihren Einfluss geltend machen?

 

Zwar wird PECTA von vier europäischen Staaten geführt, aber die Ergebnisse fliessen an alle 14 Mitgliedstaaten von 4E. Das heisst, dass auch Länder wie USA, Kanada, Japan, Korea, China, Australien und Neuseeland immer über die PECTA-Ergebnisse im Bild sind. Zudem reden auch europäische Industrieunternehmungen in der Halbleiterindustrie ein Wörtchen mit. Denken Sie an die deutsche Infineon. Die Schweiz hat mit Hitachi Energy Semiconductors (vormals ABB) in Lenzburg ebenfalls eine international aufgestellte Halbleiterindustrie. Zudem verfügen mehrere internationale Konzerne, die WBG-Halbleiter herstellen, über Niederlassungen in Europa.

 

Die Arbeit von PECTA ist nicht daran geknüpft, dass Halbleiter in Europa produziert werden. Wenn PECTA darauf hinwirkt, dass ein aufgeschlossenes Klima und fördernde Rahmenbedingungen für den Einsatz von WBG-Halbleitern geschaffen werden, begünstigt das alle WBG-Lösungen, unabhängig davon, wo die Geräte bzw. die darin verbauten Halbleiterkomponenten produziert wurden.

 

Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf, um WBG-Halbleitern neue Anwendungsbereiche zu erschliessen?

 

Neben Arbeiten zur Verbesserung der Zuverlässigkeit liegt ein Schwerpunkt bei der Initiierung eines Kreis-laufwirtschafts-Denkens. Komponenten der Leistungselektronik müssen von Beginn an so konstruiert wer-den, dass sie für die Herstellung möglichst wenig Ressourcen benötigen, eine lange Lebensdauer aufweisen und am Ende ihrer Lebensdauer möglichst ohne Abfall recycelt werden können. Ein zweites Augenmerk liegt auf Ladestationen für Elektroautos: Diese werden zukünftig bidirektional arbeiten, also nicht nur das Laden von Autos ermöglichen, sondern auch die Einspeisung aus der Autobatterie ins Netz. Hier werden WBG-Umrichter ein grosses Anwendungsfeld bekommen. Und drittens wollen wir auch einen Beitrag leisten, um das hohe Potenzial bei PV-Umrichtern auszuschöpfen.

 

pecta.iea-4e.org

 

 

Zürich 17.04.2024
Beitrag von: Benedikt Vogel im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
Bildquelle: P. Bennich

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